Feminismus?

Angeregt durch einen Beitrag der Baerin:
Beschäftigt sich frau mit weiblicher Spiritualität stößt sie ja unweigerlich auf das Thema. Sei es Luisa Francia oder auch andere Autorinnen, früher oder später geht es immer um Emanzipation oder ähnliches.
Ich komme mir immer ein bisschen schäbig vor, wenn ich damit nur wenig anfangen kann. Aus spiritueller Sicht sowieso. Denn auch wenn die meisten Männer, die ich kenne, nicht viel mit Spiritualität am Hut haben, weigere ich mich zu glauben, dass Frauen per se die besseren Zauberinnen, Hexen oder wer weiß was sind. Gerade das wird aber immer wieder von diversen Autorinnen propagiert. Für mich schwingt da immer irgendein unausgegorenes Feindbild mit, ein Zorn der immer noch schwelt.

Aber auch unabhängig von Spiritualität ist Feminismus für mich kaum ein Thema. Vielleicht, weil ich ganz selbstverständlich damit aufgewachsen bin, alles tun zu können, was auch Jungs dürfen? Vielleicht auch, weil ich als Kind nie einen wirklichen Unterschied zwischen Jungs und Mädchen sah. In meiner Familie galt ich neben meinen Schwestern aufgrund meines Wissensdurst und meiner Neugier oft als "halber Junge" (vor allem bei den Großeltern). Ich habe mich da nie irgendwie benachteiligt gefühlt.
Und auch heute empfinde ich das nicht so.
Im Gegenteil, manchmal ist mir die Emanzipationserwartung meiner Mitmenschinnen sogar ein bisschen zu viel. Da ist so ein gesellschaftlicher Druck, dass man "emanzipiert" und stark sein muss. Ob frau will oder nicht. Wer sich zurücklehnt und durchaus klassische Geschlechterrollen zu schätzen weiß, wird schräg angeguckt. Die klassische Rollenverteilung meint jetzt nicht: Mann arbeitet, Frau hütet die Kinder, sondern vielmehr die Attributierung der Geschlechter. Klar möchte ich sensible, verständnisvolle Männer, aber das weichgespülte, hypersensitive Gehabe von manchen Männern ist mir dann doch zu "weich". Genauso wie ich vulgäre oder grobschlächtige Frauen ungleich schlimmer finde, als vulgäre Männer. Warum, weiß ich auch nicht.
Möglicherweise ist es bei diesem Thema wie mit so vielem: Wenn man selber die Benachteiligungen durch alte Strukturen nicht erlebt hat, fällt es leicht Aspekte davon herauszulösen und positiv zu bewerten. Ähnlich hatte ich es kürzlich bei einer Kirchendiskussion mit meinen Eltern. Beide sind damals aus der katholischen Kirche ausgetreten, weil sie mit dem Beichtzwang und dieser (so von ihnen beschriebenen) schmierigen Sündengier nichts mehr zu tun haben wollten. Ich dagegen, mehr oder weniger christlich aufgewachsnen (allerdings evangelisch), finde das alles total faszinierend und schätze bspw. gerade die Prunkhaftigkeit und Bildgewaltigkeit der katholischen Kirche. Vermutlich, weil ich all die negativen Assoziationen meiner Eltern gar nicht habe. Vielleicht ist es bei der Emanzipationsgeschichte ähnlich? Haben wir nun die Chance, das Positive der alten Rollenverteilung und die guten und wunderbaren Neuerungen zu vereinigen? Quasi eine Synthese zu bilden, die beiden Partnern gerecht wird?
Mein Liebster kann aktiver Vater werden (und nicht wie in meiner Generation quasi nie anwesend) und trotzdem nicht zum "Muttertier" mutieren und ich kann irgendwann mal arbeiten, selbstbewusst meine "frau" stehen und trotzdem die von mir geschätzten weiblichen Tugenden nicht ablegen, um eine harte oder toughe Powerfrau zu werden.
Mir gefällt diese Zwangsemanzipierung nicht so wirklich. Ich lasse mir gerne die Tür aufhalten, den Wasserkasten tragen und in den Mantel helfen. Klar, kann ich das zur Not auch alles alleine, aber ich mag es in dieser Hinsicht mir helfen zu lassen. Ich finde diese alten Tugenden, so was wie das Benehmen eines „Gentlemans“ oder das einer „Dame“ (obwohl ich wohl nie eine werde*hüstel* ;)), durchaus schön und erstrebenswert.
baerin - 7. Jan, 12:27

Liebe Großstadtnomadin,

Hm, ich kann Deine Distanz zur "Zwangsemanzipierung" gut nachvollziehen - vieles ist da ja auch sehr extrem proklamiert worden - so auch die "spirituelle Überlegenheit" der Frau usw. . Aaaber - worauf ich mit meinem Posting hinaus wollte - ich denke, daß wir ohne die feministische Bewegung eben all diese Entscheidungsfreiheiten in unserer Frauenrolle HEUTE nicht hätten. Wir können ohne die negativen Assoziationen mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten und Zwängen von "damals" befreit das gute genießen, wo eben diese Frauengenerationen durch ihre streng determinierte Rolle, aus der sie sich freischlagen mussten, keinen Blick mehr für hatten. Ich war Teenie, als Francia, Schiran, Schilcher und Co anfingen, den Unmut in Worte zu fassen - und ich habe auch noch unmittelbar die Männer- und Frauenbilder vor mir gehabt, gegen die aufbegehrt wurde. Und da schwang noch eine Menge Nazizeit und 50er Jahre Muff mit! Das war so eine verkrustete Betonschicht, da half offenbar nur eine entsprechende Vehemenz.
ICH konnte schon ohne Rechtfertigungsdruck auch in der katholischen Kirche ein lautes, selbstbewußtes Mädchen sein - die Generationen vor uns wurden da ganz anders einkorsettiert. Die Frauen mussten sich offenbar selber "Hexe" nennen um die nötige Distanz zu den gesellschaftlichen Strukturen zu bekommen. Sie haben doch die Alternativkultur mit aufgebaut, in der wir heute ganz "undamenhft" leben und wirtschften können! Auch wenn ich jetzt von entsprechenden Kerlen "Hexe" genannt werde, kann ich drüber lachen und keiner kürzt mir das Haushaltsgeld! Heute kann ich mit meinem Alternativ-Styling ohne BH in alternativen Einrichtungen arbeiten, vor 30 Jahren ging mangels Alternativen nix ohne Pumps und Faltenrock.
Und wie schwer es von der Theorie in die Praxis war, sehe ich immer an meiner Schwiegermutter - die hat in einer absoluten Ehekrise angefangen, feministische Theologie zu studieren, hat bis heute ihre Frauenzirkel in denen seeeehr sprialig getanzt wird ;) und all die krassen Bücher von "damals" im Schrank. Und bis zum Schluß machte Schwiegervatter den Trotzkopfmacho, den Hahn im Korb, das Alpha-Männchen und von 4 Söhnen sind 2 wie er und die andern beiden taumeln strukturlos und depressiv durchs Leben. Meine Schwiegermutter hält nach wie vor viel von "damenhaftem" Verhalten und ich bin ihr schwer suspekt - obwohl auch sie ihren Teil dazu beigetragen hat, daß ICH jezt so sein kann wie ICH nunmal bin. So ist das - und ich bin den Weibers einfach dankbar, daß sie uns den Weg bereitet haben - auch wenn vieles oft sehr verspannt daherkommt.
Hach, ein spannendes Thema - wir sollten mal drüber chatten :-)
Liebe Grüße
BärenSchwester

Bodecea - 9. Jan, 14:09

Hm, ein interessantes Thema, das man kaum in einem kurzen Kommentar mehr als anreißen kann... zunächst - ja, ich selbst sehe mich als "Emanze" im wortwörtlichen Sinne ... aus Wikipedia: lat. emancipare: einen Sklaven oder erwachsenen Sohn aus dem mancipium – das ist die feierliche Eigentumserwerbung durch Handauflegen – in die Eigenständigkeit entlassen. Denn ich möchte ein Mensch sein (und bisn auch großteils), der frei ist - nicht nur frei von Geschlechtsrollen, in die man mehr oder weniger hineingestupst wird, auch frei von anderen dämlichen Rollenklischees der Mittelschicht/der Dorfbevölkerung/ der "hippen Leute" usw. ... oh, ich bin sicher keine Männerhasserin. Im Gegenteil, mir wurde schon nachgesagt, ich sei eine "Männerversteherin" *g*. Aber ich merke doch immer wieder mit jedem Jahr, das ich älter werde, wie viel stärker die Zwänge werden. Mit 20, 25, als rebellische Studentin - da habe ich die Rollenklischees gar nicht gesehen. Aber dann, beim Praktikum in der Industrie, wo Frauen nur Sektretärinnen oder Putzen waren ... im Bekanntenkreis, wo man meinen Partner nach seinem Beruf fragt und mich danach, wann ich mich endlich zu vermehren gedenke... von Leuten, die mir sagen, dass es kein Wunder ist, wenn ich es als 32jährige noch schwerer hab als ebenfalls promovierte Männer, einen Job zu finden, weil man bei mir ja eine Schwangerschaft befürchten müsse... und wenn ich dann noch sehe, wie die radikal-fundamentalistischen Christen mit ihrem antiken Rollenbild in Europa und USA an Einfluss gewinnen... und wenn man bedenkt, dass rund jede vierte oder gar dritte Frau durch sexuelle Gewalt misshandelt worden ist... und wer macht den Haushalt... wer bleibt nach dem ersten Kind zu Hause...

All das zeigt mir, dass trotz allem, was Alice und Co. erreicht haben, noch ein weiter Weg dahin ist, wo wir (Frauen) uns alle so frei wie es nur geht entfalten können - als Frauen, aber auch als Männer. Die sind bis auf kleine spirituell-akademische Kreise nämlich noch zu großen Prozentsätzen in alten Klischees verhaftet. Männer zeigen keine Gefühle, Männer haben Saufkumpane, keine Freunde... oh ja, die Spezies gibt es auch noch zahlreich unter den heute 30-40jährigen!

Ich versuch trotzdem, ICH zu sein - gemäß der Rollen und Klischees, die ICH erfüllen möchte.

Bodecea

großstadtnomadin - 9. Jan, 16:25

Ach Mädels, das ist ein weites Feld wie ich finde. ;-)
Leider fehlt mir grad die Zeit ausführlicher zu antworten (mein Deutschschüler kommt gleich). Aber ich glaube, dass es vielleicht echt was mit dem Alter zu tun hat. Möglicherweise kommt das ja alles noch auf mich zu.*heul*
Ich habe echt eher gegeteilige Erfahrungen gemacht, besonders was Männer betrifft. Manchmal glaube ich, die haben ihre Emanzipation verpasst und hängen jetzt irgendwo zwischen Frauenversteher und Macho in der Luft.
Ich bin bisher echt noch nie in die typische Frauenrolle gedrängt oder gelenkt worden, im Gegenteil manchmal hat man von mir eine Durchsetzungskraft und Power erwartet, die ich gar nicht habe. Vielleicht liegt es daran, das grad meine Eltern die Emanzipatonsbewegung aktiv mitgemacht haben und mich deshalb in diese Richtung erzogen haben. Nur ehrlich, manchmal kann auch das "Zwänge" etc. auslösen.
Aber ihr habt natürlich vollkommen recht, was die weibliche Stuation im Job angeht und auch hinsichtlich dessen, was Frauen wie Alice Schwarzer &Co für uns getan haben. Ohne deren Engagement sähe mein Leben vermutlich ganz anders aus.
Mich stört nur manchmal dieser "Zwang" der daraus schnell abgeleitet wird:
Frau muss stark und cool sein und darf sich nix bieten lassen. Schwäche gibt es nicht.
Wenn man Frauen und Männer als gleichberechtigt, aber nicht gleichartig sieht, wird man manchmal schon schief angeguckt. Ich bin bspw. definitiv der Ansicht, dass es Sachen gibt, die in vielen Fällen das ein oder andere Geschlecht besser kann, ohne das dadurch das andere abgewertet wird.
Vielleicht sollten wir echt mal einen Chat dazu machen, da könnte nämlich stundenlang drüber quatschen. :)

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