Zwischen den Stühlen...

Da ist diese Hauptschule in Berlin-Neukölln, die nun als Schreckgespenst des Erziehungsnotstands durch die Medien geistert. Beim Lesen der Artikel kam mir vieles bekannt vor, letztes Jahr habe ich an einer ähnlichen Schule gearbeitet. Und irgendwie wird mir auch ein wenig bang ums Herz, schließlich kann ich später an genau so eine Schule auch kommen.
Diese Thema ist ein wahnsinnig heißes Eisen, so dass man sich kaum dazu äußern kann ohne in die Kritik zu geraten.
Was ist das für eine Gesellschaft, in der jugendliche Migranten so wenig integriert sind, dass sie freiwillig die Illegalität und auch Asozialität (im eigentlichen Sinne des Wortes) wählen?
Vor ein paar Tagen lief bei Maischberger eine sehr interessante Diskussion zu dem Thema unter anderem mit Cem Özdemir, Necla Kelek und Oettinger, dem Erfinder der Einbürgerungstests.
Natürlich kamen sie auf keinen grünen Zweig, zu groß waren die ideologischen Gräben.
Aber dennoch muss sich diese Gesellschaft doch der Frage stellen, wie unsere Zukunft aussehen soll.
Keine Gesellschaft kann funktionieren, wenn ein guter Teil in einer Art Parallelgesellschaft lebt.
Ich sehe es jede Woche:
Die Familie meines türkischen Nachhilfeschülers hat eine ganz andere Vorstellung von Erziehung und Bildung (um genau zu sein: Keine). Prioritäten werden anderweitig gesetzt, wichtig ist die Koranschule und die türkische Schule. Die Mutter des Jungen spricht nach 20 Jahren Deutschland kein Wort Deutsch. Sie lebt in ihrer eigenen Gesellschaft, in der sie ohne Probleme auch ohne Deutsch zurecht kommt.
Die Kinder laufen so nebenher, aktive Beschäftigung mit ihnen gibt es nicht, aber materiell ist so ziemlich alles möglich.
Klar, letzteres gibt es zuhauf auch in deutschen Familien.
Aber es gelingt auch der Schule nicht, diese Jugendlichen zu erreichen und in unsere Gesellschaft zu integrieren. Da existiert eine Parallelwelt und nur bei wenigen, in beiden Welten, scheint das Bedürfnis zu bestehen, diese Trennung aufzuheben.
Und dann stehen wir später vor genau diesen Jugendlichen.
Nicht integriert, nur marginal erzogen und glücklich in ihrer Welt.
Als Lehrer in diese Welt einzudringen gestaltet sich schwierig. Der Wunsch nach Integration ist kaum da. Es lebt sich doch auch sehr gut ohne. Die eigene Kultur wird importiert, da als Außenstehender einen Durchblick zu bekommen ist quasi unmöglich.
Natürlich lassen sich all diese Phänomene erklären und auch nachvollziehen und ich bin die letzte, die den Migranten die Schuld an diesem Missstand in die Schuhe schieben möchte.
Vor allem bleibt festzuhalten, dass all dies natürlich nicht verallgemeinernd gemeint ist, ich sehe ganz andere Fälle jeden Tag an der Uni.
Aber in meinem Praktikum sind mir eben auch Geschichten zu Ohren gekommen, die ich zunächst für Märchen hielt.
Es gibt wirkliche Ghettos, in denen alles nach ganz eignen Spielregeln läuft. Ab einem gewissen Punkt ist es da auch unmöglich hineinzudringen, weil die Betroffenen aufgrund von negativer Erfahrung oder Familiendruck einfach zumachen. Da regieren sogn. „Clans“ die Lebenssituation der Einzelnen und ein Ausbrechen aus diesen Strukturen ist quasi unmöglich. Die Karriere der Kinder steht häufig schon fest und endet nicht selten im Knast oder im „Familiengeschäft“. Unzählige Mädchen werden von Kindesbeinen an von männlichen Verwandten missbraucht, aber gelingt weder den zuständigen Sozialarbeitern, noch anderen Institutionen etwas dagegen zu tun.
Warum?
Weil dieser Teil der Gesellschaft sich so sehr abgesondert hat und Schutzmechanismen gegenüber der Außenwelt entwickelt hat, dass nichts eindringen kann. Ab einem gewissen Punkt gibt es keine Möglichkeit mehr reinzukommen und etwas zu erfahren. Es wird „zugemacht“, Mauern werden hochgefahren und Lügengeschichten aufgetischt.
Da ist kein Bedürfnis nach Integration.
Warum?
Vermutlich, weil die Einbürgerungspolitik seit den 60er Jahren völlig schief lief. Weil sie Ghettobildung und das Entstehen von Parallelgesellschaften zugelassen hat. Weil es keine geregelten Möglichkeiten gab, etwas über Deutschland, die Sprache und Kultur zu erfahren. Der „Gastarbeiter“ sollte ja irgendwann wieder gehen...
Die Leute, die damals kamen, waren oftmals Analphabeten. Welchen Stellenwert hat da Bildung?
Die Schulen waren nicht in der Lage und nicht befugt (und sind es heute auch nicht) die notwendige Erziehungs- und Bildungsarbeit zu leisten.
Anstatt einer planvollen und geregelten Integration, die eine funktionierende multikulturelle Gesellschaft zu Ziel hat, wurde nicht integriert.
Man ließ sich die Dinge so entwickeln, wie es kam. Einzelne Maßnahmen bleiben fruchtlos oder halbherzig. Es ist ja auch schwer den Mittelweg zwischen behutsamer Angeleichung und der bloßen Überstülpung unserer Vorstellungen zu finden.
Eine gemeinsame Kultur mit gemeinsamen Werten, Vorstellungen und Idealen gibt es bis heute nicht.
Interkulturalität ist nicht nur ein Problem der Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch unser ureigenes Problem.
Wie weit sind wir bereit, dass „Fremde“ aufzunehmen und zu adaptieren? Wünschen wir nicht eigentlich alle eine Anpassung von „denen“?
Leben und leben lassen ist hier sicherlich die falsche Devise
Dagegen erscheint es mir notwendig endlich eine gemeinsame Basis zu finden, trotz aller Unterschiede.

Prelude

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